Menü
Mit Leidenschaft recherchiert in Berlin

Fotorecht: Strafbarkeit bei Unerlaubten Fotos

Das Fotografieren von Personen in hilfloser Lage darf unter Strafe gestellt werden. Was erlaubt ist und welche Bilder ins Internet dürfen, steht hier.

© Ailbhe Flynn

Darf man solche Fotos jetzt noch machen? Seit der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Sexualstrafrechts auch das Fotografieren von Personen in hilfloser Lage unter Strafe gestellt hat, bewegen sich unzählige Hobbyfotografen und Smartphone-Nutzer auf einem schmalen Grat: Der Reflex, rasch auf den Auslöser zu drücken und das Erlebte gleich ins Netz zu stellen, kann jetzt richtig teuer enden.

Denn zu den zivilrechtlichen Abwehransprüchen der abgebildeten Personen kommt nun noch eine Strafandrohung des Staates hinzu: »Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft ...«, lautet die Eingangsformel des neu gefassten Strafrechtsparagrafen 201a – und damit gibt es gute Gründe, auf den einen oder anderen Schnappschuss zu verzichten.

Paragraph 201a

Schon bisher verbot der Paragraph 201a des Strafgesetzbuches das heimliche Fotografieren von Personen in besonders geschützten Bereichen wie der eigenen Wohnung, Hotelzimmern oder Umkleidekabinen.

Diese seit 2004 gültige Vorschrift wurde nun um zwei Tatbestände ergänzt; nämlich um Aufnahmen, die »die Hilflosigkeit einer anderen Person zu Schau stellen und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzen« und um die Weitergabe von Bildern, die geeignet sind,»dem Anssehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden«.

komplexe Gesetzeslage

Dass der Gesetzgeber hier die Reißleine zieht, leuchtet ein: Es gibt inzwischen kaum noch eine Alltagssituation, in der keine Kamera greifbar wäre; alles, was passiert, kann auch fotografiert werden. Die neue Vorschrift gilt zum Beispiel dem Schutz von verletzten Unfallopfern, soll aber auch vermeiden, dass in peinlichen Situationen fotografierte Menschen öffentlich bloßgestellt werden. 

Doch welche Situationen genau gemeint sind, bleibt offen. Der Berliner Rechtsanwalt Tim Hoesmann, Spezialist in Sachen Fotorecht, hält deswegen auch wenig von dem neuen Gesetz: »Bereits unter der alten Gesetzeslage blieb unklar, was ein geschützter Raum eigentlich ist.«

Die neue Fassung sei durch ihre unbestimmten Begriffe noch komplexer geworden. Hoesmann: »Was geeignet ist, das Ansehen einer Person zu schädigen, werden letztlich die Gerichte entscheiden.«

Beispiel

Wie unterschiedlich Richter werten können, zeigen zwei recht gegensätzliche Urteile. Im ersten Fall ging es um einen Professor, der versucht hatte, in einer Saunaanlage mit seinem Handy nackte Frauen zu fotografieren.

Das Oberlandesgericht Koblenz kam zu dem Schluss, dass eine öffentliche Sauna kein gegen Einblick besonders geschützter Raum im Sinne des §201a sei (Az. 1 Ws 535/08). Der Saunabereich eines Erlebnisbades, den jeder betreten könne, der Eintritt zahlt und der Hunderten Besuchern zugänglich ist, gehöre nicht zum letzten Rückzugsbereich eines Menschen, so die schlüssige Begründung. Damit kam der Lustmolch davon. 

Im zweiten Fall urteilte das Amtsgericht Ingolstadt wiederum, dass es sich ein Besucher einer Diskothek nicht gefallen lassen muss, dort zu Werbezwecken fotografiert zu werden (Az. 10 C 2700/08).

Das Gericht wertete die Diskothek in diesem Zusammenhang gerade nicht als Teil des öffentlichen Raums, in dem eine Person es ungeachtet ihrer Persönlichkeitsrechte hinnehmen muss, zufällig in ein Bild zu geraten.

Kunst-Urheber-Gesetz

Tatsächlich dürfen Fotos nur mit Zustimmung der darauf abgebildeten Personen verbreitet oder öffentlich gezeigt werden (§22 Kunst-Urheber-Gesetz). Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es über die sogenannte Panoramafreiheit: Wenn die abgebildete Person zufällig als «Beiwerk« auf einer Aufnahme einer Landschaft oder eines anderen Fotomotivs auftaucht, kann das Foto verwendet werden.

»Das sogenannte Beiwerk darf aber nicht das Hauptmotiv sein«, warnt Rechtsanwalt Hoesmann. »Wer beispielsweise ein küssendes Paar vor dem Brandenburger Tor aufnimmt, muss um Erlaubnis fragen. Nur wenn die Aufnahme des Bauwerks auch für sich stehen kann, wenn man sich das Paar wegdenkt, geht das in Ordnung«.

Konsequenzen 

Die Regelung des Kunst-Urheber-Gesetzes (KUG) verbietet nicht das Fotografieren an sich, sondern die ungenehmigte Verbreitung der Aufnahmen – laut § 33 KUG stehen darauf Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. 

»Eine Person gegen deren Willen zu fotografieren, kann schon ziemlichen Ärger verursachen«, erklärt Anwalt Tim Hoesmann, »aber wenn man das Bild anschließend auf Twitter, Facebook oder andere Plattformen hochlädt, kann das zu ganz ernsthaften Schwierigkeiten führen«.

Abmahnungsprozedur

Der erste und häufigste Grund ist der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch, mit dem der gegen seinen Willen Abgelichtete sich schnell und effektiv zur Wehr setzen kann. Die Betroffenen müssen sich nicht erst mit demjenigen herumschlagen, der das Bild online gestellt hat, sondern können sofort zum Anwalt gehen, mit unangenehmen Folgen für die Übeltäter.

Sie werden nicht nur aufgefordert, das Bild sofort aus dem Netz zu nehmen, sondern müssen auch eine Unterlassungserklärung abgeben – nach dem Motto »Ich tu’s nicht wieder«. In der Regel wird zugleich eine Vertragsstrafe vereinbart, die im Fall einer Wiederholung fällig wird. Der Anwalt berechnet für solche Fällen zwischen 800 und 1 000 Euro.

Wer der Abmahnungsprozedur nicht Folge leistet, wird kurzfristig verklagt und geht mit denkbar schlechten Aussichten in den Prozess. Ein solcher Unterlassungsanspruch ist leicht durchzusetzen: Für den Beklagten wird es dann halt nur noch teurer, weil Anwalts- und Prozesskosten dazukommen.

Weitere Folgen

Mit diesem Szenario sind aber nur die leichten Fälle umschrieben. Ganz ernst wird es, wenn das Opfer durch die Veröffentlichung des Bildes so weit blamiert ist, dass es ein Schmerzensgeld verlangen kann. »Das geschieht dann generell auf dem Klageweg«, erklärt Rechtsanwalt Hoesmann, »die Gerichte sprechen hier den Betroffenen regelmäßig Beträge zwischen 1 000 und 10 000 Euro zu, je nachdem wie schwer in das Persönlichkeitsrecht eingegriffen wurde«. 

Kommt ein strafrechtlicher Aspekt hinzu, ist das eine zweite Sache. Die gegen ihren Willen Fotografierten können einen Strafantrag stellen – und dann ermittelt die Staatsanwaltschaft. Das kann dann zu einer Geldstrafe führen, die zusätzlich an die Staatskasse zu leisten ist, je nach Konstellation aufgrund § 33 KUG oder §201a des Strafgesetzbuches.

Fotos bei Verkehrsverstößen strafbar

Dass man andere Leute nicht einfach fotografieren und an den Pranger stellen kann, zeigt ein Fall, der sich im Berliner Kleinkrieg zwischen Radfahrern und Autofahrern ereignete. Denn Smartphone-Apps wie »Straßensheriff« oder »Wegeheld« erlauben es, Fotos von Verkehrsverstößen gleich ins Netz hochzuladen oder gar direkt an die Ordnungsbehörden weiterzuleiten. 

Hierbei hatte ein Radfahrer ein Auto fotografiert, das der Besitzer in einer Feuerwehr-Einfahrt abgestellt hatte. Als der Autofahrer bemerkte, dass er fotografiert wird, stieg er mit zorniger Miene aus und wurde, wenig schmeichelhaft, gleich noch mal fotografiert. Weil die Bilder umgehend ins Netz hochgeladen wurden und der Autofahrer Strafantrag stellte, endete die Sache vor Gericht. Der Radfahrer wurde zu 50 Tagessätzen verurteilt.

Im Zweifel gilt nun einmal das Gewaltmonopol des Staates, neben dem selbst ernannte Hilfssheriffs nichts zu suchen haben – unter anderem auch aus Datenschutz-Gründen. Die Liste der Irrtümer im Rechtsempfinden vieler Internetnutzer geht noch weiter: »Ganz gefährlich sind auch private Fahndungsaufrufe in sozialen Netzwerken, die in ihren Folgen unübersehbar werden können, wenn dabei Fotos oder Videos im Spiel sind«, warnt Hoesmann. Das könne im Einzelfall gut gemeint sein, sei aber nah an der Aufforderung zu einer Straftat.

Missbrauch von Fotos

Die neuen Regeln sorgen nebenbei auch für klare Verhältnisse bei Aufnahmen, die in früherem Einverständnis entstanden sind und nun im Nachhinein missbraucht werden. Das Phänomen der sogenannten Rache-Porno-Seiten, das seit einigen Jahren im Netz grassiert, dürfte damit hierzulande als ausgetrocknet gelten:

Wer als enttäuschter Liebhaber Nacktaufnahmen seiner Ex ins Netz stellt, macht sich ab sofort strafbar. Das gilt auch in Fällen, in denen das Gesicht nicht zu erkennen ist – es genügt, wenn die Bilder der Person zugeordnet werden können.

Widerruf mit Folgen im Kontext mit Partyfotos stellt sich nach der Gesetzesnovelle das Problem, dass eine Strafbarkeit des Verbreitens von Bildern im Raum steht, wenn die Aufnahmen geeignet sind, dem Ansehen der Abgebildeten zu schaden. Problematisch dabei ist, dass viele Partygäste in Feierlaune zunächst Fotos erlauben.

»Im Sinne des Fotorechts ist daran nicht zu rütteln«, so Hoesmann. »Hinsichtlich der Verbreitung der Bilder steht aber dann nachträglich doch der strafrechtliche Aspekt im Raum«. Sein Rat: Offensichtlich peinliche Fotos lieber gleich aussortieren.