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Mit Leidenschaft recherchiert in Berlin

Wärmedämmung: Lohnt sich Styropor?

Im ganzen Land werden Häuser für viel Geld in Styropor verpackt. Ob die Investitionen ihr Geld überhaupt wert sind, wird zu selten hinterfragt.

Wenn Sie die Dämmung gleich mitmachen lassen, können Sie bis zu 60 Prozent Heizkosten im Jahr sparen!« Noch vor wenigen Jahren konnte sich ein Malermeister mit solchen vollmundigen Versprechen ein sattes Umsatzplus sichern, wenn er zum Streichen der Fassade gerufen wurde. Allerdings dürfte den damaligen Auftraggebern angesichts der tatsächlichen Effekte der Fassadendämmung die Freude inzwischen vergangen sein.

Energie-Einsparverordnung und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz

Einsparpotential

Dass die Energieeinsparungen durch Dämmung im Altbaubestand oft weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, haben wir in der berichtet. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle hatte in einer Studie auf einer breiten Datenbasis ermittelt, dass das Einsparpotenzial in der Spitze unter 30 Prozent liegt. Und auch das ist nur zu erreichen, indem alle Schwachstellen eines Gebäudes angegangen werden: von der Anlagentechnik über Fenster und Dach bis hin zur Fassade.

Dass ausschließlich mit einer Fassadendämmung bereits Einsparungen von 60 Prozent und mehr erreicht werden können, wollte schon in jüngerer Vergangenheit keiner mehr behaupten. Stattdessen wird gern mit gesetzlichen Zwängen argumentiert, Einsparpotenziale werden in Aussicht gestellt, aber ausdrücklich nicht garantiert.

Befreiungsmöglichkeiten

Dämmstoffhersteller, Handwerker und Planer halten sich inzwischen bedeckt, weil immer öfter die Haftungsfrage gestellt wird, wenn die Rechnung nicht aufgeht. Der bekannte Dämm-Kritiker und Architekt Konrad Fischer aus Hochstadt am Main warnte kürzlich in einer Fachpublikation seine Berufskollegen, dass sich Architekten stets haftbar machten, wenn sie die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens nicht gewissenhaft hinterfragen.

Denn die Energie-Einsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sehen durchaus Befreiungsmöglichkeiten vor, wenn sich die gesetzlich geforderte Maßnahme nicht in angemesser Zeit amortisiert. Als Faustregel gelten zehn Jahre, dann muss die Investition über die Einsparung wieder reingeholt sein, sonst gilt der »Dämmzwang« als eine unbillige Härte (§25 EnEV). Ein Gutachten zur Befreiung kostet für ein Einfamilienhaus weniger als 1000 Euro; Sachverständige benennen die Bauämter beziehungsweise Architektenkammern.

Wie gut dieses Geld investiert ist, zeigt ein Gutachten, das die Schutzgemeinschaft Hausgeld-Vergleich für einen Wohnungseigentümer erstellen ließ: Die auf seinen Eigentumsanteil entfallende Investition von 4250 Euro (nebst Zinsen) hätte eine jährliche Einsparung von 9,80 Euro gebracht...

Interview mit Bauingenieur Matthias G. Bumann

Fragen an Bauingenieur Matthias G. Bumann. Er bietet auf seiner Internetseite viel Hintergrundwissen zu Bauphysik und Dämmung und zeigt Alternativen auf.

Gehen wir den falschen Weg, wenn wir versuchen, den Energieverbrauch durch die forcierte Dämmung von Wohnbauten zu drosseln?

Die Frage würde ich so nicht stellen. Es ist sehr wichtig, dass wir schonend mit unseren Ressourcen umgehen. Aber es ist auf der anderen Seite auch nicht sinnvoll, viel Geld für vielfach ungeeignete Maßnahmen auszugeben, die am Ende die Umwelt sogar belasten.  

Worin liegen diese negativen Effekte?

Es ist einfach nicht so, dass man sich ein Wärmedämmverbundsystem auf die Wand montieren lässt und dann geht das endlose Sparen los. Die gebräuchlichen Systeme aus Polystyrol, im Volksmund »Styropor«, sind für sich gesehen schadensanfällig. Das erfordert Reparaturen, auch und vor allem am Putz. Am Ende der Lebensdauer eines WDVS steht das Entsorgungsproblem: Es gibt kein vernünftiges Recyclingsystem für Polystyrol.

Sie warnen aber auch vor Auswirkungen auf die Bausubstanz. Was meinen Sie damit?

In erster Linie ist das ein Auffeuchten der Wand. Polystyrol speichert keine Wärme, sondern isoliert nur – leider aber auch gegen die Strahlungswärme der Sonne. Unter der  Dämmung findet eine Kondenswasserbildung statt. Das passiert vor allem im Sommer. Das Wasser kann nur durch Diffusion, also Verdampfen, abgeführt werden, was aber nur unzureichend gelingt. Damit wird die Wand unter dem WDVS immer feuchter und verliert damit ihre Dämmfähigkeit. Denken Sie an einen feuchten Pullover, der wärmt auch nicht mehr richtig.

Soll das bedeuten, dass die Dämmung ihre Wirkung verliert?

Das Gesamtpaket aus Wand und Dämmschicht funktioniert von Jahr zu Jahr schlechter. Die Bewohner müssen zunehmend gegen ein feuchtes, ungemütliches Raumklima anheizen. Dieser Effekt kann sich mit der Zeit so auswirken, dass das gedämmte Haus mehr Heizenergie braucht als die ungedämmte Doppelhaushälfte des Nachbarn. Eine einfache, nicht ganz hell verputzte Ziegelwand kann auch im Winter noch von der Sonnenstrahlung profitieren, was mit einem Wärmedämmverbundsystem völlig entfällt.

Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma?

Durchaus, durch die Wahl eines speicherfähigen Dämmstoffs mit kapillarer Leitfähigkeit und höherer Dichte. Eine Dämmung mit Holzfaserplatten schließt gleich zwei Probleme der Styropordämmung aus: Es gibt keine thermische Abkopplung der Fassade und viel weniger Tauwasser. Damit kann die Sonne tagsüber von außen Wärme eintragen und zugleich findet im kompakteren Material auch ein kapillarer Feuchtetransport statt. Diese Systeme sind aber noch vergleichsweise teuer.

Glossar: Wichtige Begriffe erklärt

WDVS

Wärmedämmverbundsysteme gibt es seit über 50 Jahren. Bereits Ende der 50er-Jahre wurden Wohnhäuser mit Styroporplatten gedämmt, die damals mit den Fassaden lediglich verklebt wurden. Inzwischen ist die zusätzliche Befestigung mit Dübeln Standard.  

Kosten

Die Gesamtkosten pro Quadratmeter Fassade belaufen sich auf etwa 60 bis 80 Euro, in Ballungsräumen liegen die Preise zum Teil noch darunter.

Haltbarkeit

Etwa 40 bis 50 Jahre. Bekannte Phänomene sind das Vereisen von Fassaden im Winter und  (als rein optische Beeinträchtigung) grünlicher Algenbewuchs, der sich allerdings durch speziell ausgerüstete Anstriche vermeiden lässt.

Frostschäden sind dagegen ernst zu nehmen: Putzabplatzungen oder mechanische Beschädigungen der Fassade sollten zügig behoben werden, da ansonsten Feuchte in die Isolation eindringen kann.

Alternativen

Die im Interview genannte Holzfaserdämmung kostet etwa ab 120 Euro/m2. Eine Neuentwicklung ist die Mineralfaser-Dämmplatte Liquid Pore.