Gar nicht dufte!
Allergie gegen Duftstoffe
Künstliche Düfte aus Mülltüten, Lampen oder Lufterfrischern vernebeln die Sinne, die Zahl der Duftstoff-Allergiker steigt. Wann man besser die Notbremse zieht.

Textilerfrischer
Aromen - Sprays verwandeln Muff-Wolken aus Turnschuhen oder Matratzen in wohlriechende Apfel-, Orchideen-, Papaya- oder Blumendüfte.
Risiken - Neben unbekannten Duftstoff-Komponenten steckt oft der Konservierungsstoff Methylisothiazolinon (MIT) mit im Paket, ein hochgradiger Allergieauslöser (Ekzeme).
Besser Matratze lüften, Turnschuhe waschen. Hautkontakt mit Duftstoffen erhöht das Allergie-Risiko.

Lufterfrischer
Aromen - Kurz den Dufthalter antippen, schon fluten Wölkchen von Granatäpfeln, Zitronen, Jasmin, Sandelholz oder Maiglöckchen den Raum.
Risiken - Kopfweh und Hautekzeme sind möglich. Kunstdüfte wie Zimtaldehyd und andere Aldehyde wie Lilial sind häufige Allergieauslöser.
Wer zu Asthma oder Nesselsucht neigt, sollte auf Lufterfrischer-Sprays verzichten.
Duftkerzen
Aromen - Melone, Zimt, Vanille, Patchouli – Kerzen und Duft-Teelichter benebeln die Geruchsnerven. Bis zu 8% an Duftstoffen stecken drin.
Risiken - Ärzte warnen vor Asthma, Atemwegsreizung und Allergien durch Duft-und Schadstoffe aus den Kerzen.
Selten verwenden, Stearin- und Bienenwachskerzen bevorzugen.

WC-Steine
Aromen - Meist synthetische Düfte wie Zitrus, Himbeer, Granatapfel oder Ozean täuschen Hygiene vor.
Risiken - Kunstdüfte wie Citral, Citronellal, Limonene oder Geraniol fördern Hautallergien. Der Kunstduft Paradichlorbenzol (PDCB, riecht nach Himbeeren) steht sogar unter Verdacht, Krebs zu begünstigen.
Allergologen raten von WC-Steinen ab. Essigreiniger und Scheuerpulver sorgen für Sauberkeit und »echten« Frischegeruch.
Duft-Müllbeutel
Aromen - Statt nach Gammelgemüse riecht es nach „Morgenfrische“, „Ozean“, Vanille oder Lavendel. Windelbeutel duften nach Kinderpuder statt nach Babys voller Windel.
Risiken - Welche Kunstdüfte den Müll-Muff übertünchen, verschweigen viele Hersteller. Gesundheitsrisiken unklar.
Finger weg! Öfter den Müll rausbringen vermeidet auch ungute Gerüche.
Haushaltsreiniger
Aromen - Gute-Laune-Düfte wie Orange, Zitrone, „Bergwiese“, Lavendel, Magnolie oder Jasmin sollen den Hausputz zum Wellness-Spaß machen.
Risiken - Duftchemikalien wie Hexylzimtaldehyd, Cinnamal oder Cumarin sind bekannte Auslöser allergischer Ekzeme.
Allzweckreiniger auf Essig- oder Chlorbasis wählen– weniger Allergene.

Auto-Düfte
Aromen - Hängt das Duftbäumchen am Rückspiegel, werden Plastik- und Abgasgeruch durch Düfte wie Vanille, Kaugummi, Zitrone oder „Green Valley“ überdeckt.
Risiken - Kann Kopfweh, Schleimhautreizungen und Allergien auslösen; bei Rauchern sollen die Kunstdüfte das Krebsrisiko erhöhen.
Duftsäckchen mit Orangenschalen oder Lavendel sind gesünder.

Annette Schrank (42) liebt Blumen und Düfte – auf künstliche Düfte aber reagiert sie allergisch
Juckreiz, Rötung, Hautrisse oder -bläschen – immer, wenn Annette Schrank (42) zum parfümierten Deoroller oder zum Haushaltsreiniger mit Almwiesenduft greift, funkt ihre Haut Stunden oder auch Tage später Alarm. »Ich bekomme rote Flecken, sie juckt oder wird trocken und rissig«, so schildert es die Theaterangestellte aus Ludwigshafen.
Duft-Attacke Annette Schrank leidet wie rund anderthalb Millionen Deutsche an einer Allergie gegen Duftstoffe in Parfüms, Kosmetik, Spülmitteln und Haushaltsreinigern. Dabei wehrt sich das Immunsystem gegen künstliche oder natürliche Düfte: Gelangen die Duftmoleküle auf die Haut oder über die Atemwege ins Blut, attackieren plötzlich spezielle Abwehrzellen (Lymphozyten) die Stellen, an denen die Haut Kontakt mit dem Duftstoff hatte. Als Folge bilden sich Entzündungen und Ekzeme. Mediziner sprechen von einer Typ-IV- oder Kontaktallergie.
Heimtückischer Spät-Alarm
Im Gegensatz zu Pollenallergien zeigt sich die Kontaktallergie oft erst verzögert nach etwa ein bis drei Tagen. »Meist weiß ich dann gar nicht mehr genau, welche Creme oder welches Reinigungsmittel ich an dem Tag benutzt habe«, sagt die Angestellte. Ihre Hautreaktionen fallen mal stärker, mal schwächer aus. »Je nachdem, wie viel Parfüm oder Creme ich aufgetragen habe.« Denn für Kontaktallergien gilt: Die Dosis macht das Gift. Je mehr Allergen, desto heftiger die Hautreaktion.
Warum und wann im Leben sich Immunzellen dazu entschließen, plötzlich Duftmoleküle eines Parfüms oder einer Bodylotion zu bekämpfen, ist unklar. »Beim Erstkontakt mit einem unverträglichen Stoff wird der Körper nur sensibilisiert, es bildet sich aber noch kein Ekzem. Das zeigt sich erst bei einem der nächsten Hautkontakte«, sagt Professor Thomas Fuchs, Allergologe an der Universitätshautklinik Göttingen.
Duftstoffe sind bei Männern die häufigsten – und nach Nickel bei Frauen die zweithäufigsten Verursacher von Kontaktallergien. Fachleute verwundert das kaum: Etwa 3 000 Riechstoffe, darunter 250 pflanzliche, werden Wasch-, Reinigungs-, Körperpflegeprodukten, Kerzen, Lebensmitteln oder Lufterfrischern zugesetzt. Jedes Produkt enthält Duftgemische aus 30 bis 50 Einzelstoffen, darunter auch ätherische Pflanzenöle. Davon wiederum kann jedes Öl Hunderte von Duftstoffen enthalten – deklariert werden müssen aber nur 26. Die EU will jetzt die Duft-Notbremse ziehen und drei häufige Allergie-auslösende Aromen verbieten. Betroffen sind zwei Naturstoffe aus Eichenmoos, die u.a. auch in Parfums wie Chanel No. 5 vorkommen, und der Kunst-Maiglöckchenduft HICC.
Air-Design Der Duft-Markt boomt. Duft-Shops sprießen wie Pilze aus dem Boden, Spülmittel und WC-Reiniger werden mit Parfüms zu »Wellnessprodukten« gepimpt, und Supermärkte beduften ihre Theken mit Wohlfühl-Aromen. Marketing-Fachleute nutzen dabei Erkenntnisse aus der Hirnforschung, wonach Gerüche via Nasen-Sensor Emotionsareale im Gehirn manipulieren können. Lavendelduft beruhigt, Vanille-Aroma vertreibt Hungergefühle.
Der Mix macht’s Addieren sich die Duftsubstanzen aus Alltagsprodukten, steigt das Risiko für Abwehrreaktionen des Körpers. »Selbst wenn einzelne Duftstoffe nur in geringen Mengen zugesetzt sind – als Mixtur vervielfachen sie die Schadwirkung und das Allergie-Risiko», sagt der Göttinger Professor Axel Schnuch. Er kritisiert: »Die Menschen übertünchen heute eher unliebsame Gerüche durch Duft-Sprays, anstatt zu lüften. Das wäre gesünder.«
Fenster auf, Mief raus – die klassische Lufterfrischungskur aus Omas Zeiten ist out. Heute wird großflächig beduftet: Aus der WC-Schüssel wabern Zitrus-Wölkchen, Mülltüten verströmen Wildrosen-Duft statt Gammelgemüse-Aroma, selbst die Schweißnote in Joggingshirts oder -schuhen lässt sich ohne Waschmaschine wegzaubern – durch Textilerfrischer-Sprays mit Geruchsnoten wie Alpenwiese oder Südsee. Nicht immer aber sind es nur die Moleküle aus dem Chemielabor, die bei manch einem für Kopfweh oder Hautkrater sorgen.
Natur-Reiz »Produkte mit natürlichen Aromen wie ätherische Öle sind für Allergiker auch nicht ungefährlicher«, warnt Professor Schnuch. In einer Studie reagierten mehr als vier Prozent der 16 000 Probanden auf mindestens ein natürliches ätherisches Öl allergisch – am häufigsten auf Ylang-Ylang, gefolgt von Zitronengras- (Lemon Grass), Jasmin-, Sandelholz- und Nelkenöl. »Nicht immer ist also die böse Chemie schuld, wenn die Haut blüht«, stellt Axel Schnuch klar.
Raster-Fahndung Die Diagnose einer Duft-Allergie kann sich schwierig gestalten. »Erst muss man prüfen, ob es wirklich das Duftöl oder das Deo ist, das die Allergie auslöst», sagt der Schmallenberger Allergie-Spezialist Dr. Markus Wenzel von der Fachklinik Kloster Grafschaft. »Die simpelste Methode dafür ist der ROAT-Test.« Das Kürzel steht für »Repetitiver offener Applikationstest«, übersetzt: Wiederholter Anwendungstest.
Dazu wird die verdächtige Substanz mehrfach täglich auf dieselbe Hautstelle aufgetragen. »Bildet sich in drei bis vier Tagen ein Ekzem, liegt wohl eine Allergie vor«, sagt der Mediziner. Danach werden durch Pflastertests die Aromastoffe ermittelt, welche die Haut leiden lassen. Funkt die Haut dabei Alarm, sollte der Patient diese Stoffe fortan meiden.
Versteckt Doch das sei im Alltag fast unmöglich, weiß Dr. Wenzel. »Zum einen, weil viele der Duftstoffe gar nicht deklariert sind, zum anderen, weil keiner mit der Lupe die winzig klein gedruckten Inhaltsstoffe auf jedem Produkt lesen will.« Somit bleibt Duftstoff-Allergikern wie Annette Schrank meist nur eins übrig: Bei Kosmetik- und Haushaltsprodukten auf duftstoffarme Sensitiv-Produkte auszuweichen, und wenn die Haut dann doch mal wieder gereizt reagiert, Kortisonsalben oder –gels aufzutragen. Das ist auch seit Jahrzehnten die einzige wirksame Therapie gegen das allergische Kontaktekzem; eine Hyposensibilisierung ist nicht möglich.
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