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Mit Leidenschaft recherchiert in Berlin

Sprachlern-Apps: Babbel, Duolingo und Tandem im Test

Binnen weniger Wochen sprachlich fit für den Urlaub in Stockholm? Das Smartphone soll’s möglich machen. Wir haben getestet, was Sprachlern-Apps wirklich können.

© Jan Antonin Kolar

Fünf Minuten an der Haltestelle, zwölf vor dem Einschlafen, drei in der Warteschlange bei der Post – immer und überall verordne ich mir nun eine Einheit Schwedisch. Smartphone geschnappt, Programm aufgerufen und schnell eine Lektion abgearbeitet: Schon weiß ich, wie ich im nächsten Urlaub in Uppsala eine Zimtschnecke bestelle.

Nie ließ sich das Pauken so mühelos in den Alltag integrieren wie mit Sprachlern-Apps, die derzeit den Markt erobern. Ich habe drei der beliebtesten ausprobiert: Die kostenpflichtige Anwendung Babbel mit über einer Million Abonnenten, den Gratis-Konkurrenten Duolingo mit mehr als 150 Millionen Downloads und die noch recht neue, ebenfalls kostenlose App Tandem mit derzeit etwa einer Million Nutzern. Alle Programme sind im Google Play und App Store (iOS) verfügbar und wurden von den Anwendern mit mindestens vier von fünf Sternen bewertet.

Über mehrere Wochen ließ ich mich von den Apps auf meinen geplanten Trip nach Schweden vorbereiten, bei dem ich mich nicht auf meine Englischkenntnisse verlassen, sondern mit Einheimischen in ihrer Landessprache plaudern möchte – einfach so, aus Spaß.

Lern-Prinzip durch Spielen

Spaß bringt hier schon das Pauken – vorbei sind die Schulzeiten, zu denen man sich lustlos endlose Vokabellisten in den Kopf zu hämmern versuchte. Möglich macht das unter anderem ein Prinzip, das App-Entwickler »Gamification« nennen: Ich nutze die Anwendung nicht nur, ich »spiele« sie.

Duolingo kann das besonders gut: Die App verteilt nach jeder Lektion Belohnungspunkte, feuert mich mit Updates zu erreichten Meilensteinen an und macht freundliche Super-Mario-ähnliche Geräusche, wenn ich in einer Aufgabe die richtige Lösung antippe. Mit dem Ergebnis, dass ich immer mehr üben will – ein Zustand, von dem mein früherer Französischlehrer nur träumen konnte.

Voraussetzung

Tatsächlich ist Motiva­tion eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Sprachenlernen, sagt Hermann Funk, Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. »Die Kognitionslinie lautet: Motivation führt zu Aufmerksamkeit – führt zu Wahrnehmung – führt zu Verarbeitung. Sie können wochenlang französisches Fernsehen schauen und dabei kein Wort lernen, wenn Sie kein Interesse haben, etwas zu verstehen.«

Trotzdem ist der Experte skeptisch, wenn es um den Nutzen der Sprachlern-Apps geht: »Es gibt bisher ­keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass irgendjemand nur mit Apps oder durch Selbststudium Sprachen gelernt hat.« Das ist aber noch nicht das K.-o.-­Kriterium für Babbel und Co. »Man sollte alles verwenden, von dem man denkt, dass es einem hilft. Natürlich nützen auch Apps, jede Beschäftigung mit Sprache hilft etwas.« Nur vollziehe sich das Lernen manchmal ganz anders, als es die Macher solcher Angebote vorsehen. Das verdeut­lichen die folgenden Beispiele.

Babbel

Während Tandem die Vernetzung von Sprachpartnern ermöglicht, sind Babbel und Duolingo darauf ausgerichtet, Sprachen von Grund auf zu vermitteln.

Das Konzept

Bei Babbel nun lautet eine typische Aufgabenstellung »Schreibe die Übersetzung«, darunter ein schwedischer Satz mit einer Lücke für das Wort, das ich einfüllen soll. Die entsprechenden Buchstaben zu diesem Wort sind weiter unten in falscher Reihenfolge schon vorgegeben – ich muss sie durch Antippen nur noch richtig ordnen.

»Ein solches Konzept funktioniert fürs Lernen gar nicht, weil Wörter im Gehirn eben nicht aus einem Haufen Buchstaben zusammengesetzt sind«, sagt Funk. »Lernen heißt, im Gehirn Verbindungen aufzubauen.«

Realitätsnaher Zusammenhang

Das schafft die Babbel-Übung immerhin durch einen passenden Kontext: Das Wort wird in einem realitätsnahen Zusammenhang abgefragt, nämlich in einem logischen Satz wie »Finns det en buss som man kan ta?« (»Gibt es einen Bus, den man nehmen kann?«). Das macht die App deutlich besser als der Konkurrent Duolingo, der auch Beispielsätze wie »Kocken dricker te« (»Der Koch trinkt Tee«) liefert – kein absoluter Nonsens, aber doch sicher kein Ausspruch, den ein Sprachneuling im wahren Leben so bald anwenden wird.

»Das ist ein Test für alle diese Apps: Prüfen Sie einmal, ob Ihnen die Beispielsätze außerhalb des Programms begegnen werden und Sie sie wirklich brauchen«, rät Funk.

Einen weiteren Pluspunkt bekommt Babbel dafür, dass die App im Gegensatz zu Duolingo Übungssätze wann immer nötig durch kleine grammatische Erklärungen ergänzt, etwa »Merke: Im Schwedischen gibt es für alle Personen in der Gegenwart nur eine Verbform« – hier haben die Macher gut mitgedacht. Duolingo hingegen lässt den Nutzer mit einem simplen »Richtig« oder »Falsch« oft ratlos zurück.

Duolingo

Was Duolingo leider ebenfalls fehlt, ist die Aufforderung an den Lerner, gehörte Sätze selbst nachzusprechen. Babbel verlangt regelmäßig: »Hör zu und wiederhole!«, um dann Aussprache und Betonung zu überprüfen. Weil die es im Schwedischen wirklich in sich haben, scheint mir diese Funktion absolut unentbehrlich, um mich aufs Sprechen im wahren Leben vorzubereiten. Die Technik funktioniert allerdings auch bei Babbel noch nicht reibungslos und überhörte im Test einige absichtlich eingebaute Fehler.

Merkhilfe: Laut Formulieren!

Auch Experte Hermann Funk betont, wie wichtig das laute Formulieren von Sprache ist, um sie im Gedächtnis abzuspeichern. Was ihm bei den Apps dann jedoch immer noch fehlt, sind echte Dialogsituationen, denn nur die macht aus Sprachlernern schließlich Sprecher. »Power bekommt das Lernen erst durch persönlichen Austausch.

Apps können ­offene Übungsformate, bei denen ich spontan auf unerwartete Impulse wie etwa Fragen meines Gegenübers reagieren muss, kaum verwirklichen. Sobald ­Sprache kommunikativ wird, helfen mir Rasterlösungen eben nicht mehr.«

Aktive Konversation

Duolingo ist dieses Problem bereits angegangen und will künftig sogenannte Bots einsetzen, also Roboter, die mit den Nutzern Konversationen führen. Ein Anreiz soll dabei sein, dass es dem Anwender anders als bei echten Gesprächspartnern nicht peinlich sein muss, Fehler zu machen. Diese Funktion war im Testzeitraum aber noch nicht freigeschaltet.

Tandem

Weniger schüchterne Autodidakten sollten sich dagegen einen echten Sprach­tandempartner suchen, nach dem Prinzip: Ich helfe dir, meine Sprache zu lernen, du hilfst mir, deine zu lernen. Hierbei unterstützt die App Tandem.

Partnerauswahl

Nachdem ich bei der ersten Nutzung angegeben habe, über welche Themen ich gern reden würde, welche Lernziele ich erreichen möchte und dass der perfekte Tandempartner für mich »Akademiker, um die 30, offen und nett« sein müsste, schlägt die Anwendung mir eine Reihe von passenden schwedischen Muttersprachlern und versierten Schwedischsprechern aus der ganzen Welt vor. Diese kann ich nun per schrift-lichem oder Audio-Chat ansprechen – und ebenso angesprochen werden.

Als Erster meldet sich Christian, 24, aus Chile. Er will Deutsch lernen und ist mit Duolingo und Tandem schon recht weit gekommen, erzählt er, dafür kann er mir im Schwedischen helfen. Ich bin begeistert über diese neue Form der Vernetzung – auch wenn das Aufeinandertreffen im ­ersten Moment dem auf einer Dating­seite ähnelt. Doch unangenehm wurden die Tandemdialoge, die ich im Test mit verschiedenen Nutzern führte, nie. Nur musste ich mir bald eingestehen, dass meine Schwedischkenntnisse noch nicht zum flüssigen Gespräch taugen.

Mensch statt Roboter

Sprachtandems sind laut Hermann Funk ein gutes Prinzip der Interaktion, weil sie »Aufmerksamkeit, Motivation und die Verarbeitung von Input fördern«. Auch ich habe das Gefühl, dass mich der Kontakt zu einem echten Menschen mehr zur Auseinandersetzung mit der neuen Sprache bewegt als ein automatisiertes Programm.

Fazit

Einen Sprachkurs können die Apps meines Erachtens nur in Kombina­tion ersetzen: Tandem ist erst anwendbar, wenn man mit Duolingo oder Babbel bereits solide Grundkenntnisse zu Vokabular und Grammatik erworben hat. Dann jedoch kann die App das, was den beiden anderen fehlt, nämlich echte, menschengeführte Gespräche optimal ergänzen. Um zum Sprach-Ass zu werden, bedarf es aber vieler Stunden Übung, Wiederholung und vor allem ständiger Anwendung im wahren Leben – das gilt für Apps genauso wie für alle anderen Lernvarianten. Dafür machen sie aber richtig Spaß.

6 Lerntipps – so bleiben neue Sprachen im Kopf

1. Motivation

Anfangs gilt es herauszufinden, warum man eine Sprache überhaupt lernen möchte: um im Ausland beruflich Fuß zu fassen? Um auf Reisen mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen? Je nach Absicht sollte sich der Schüler auf bestimmte Sprachfelder wie Business-, ­Wissenschafts- oder Alltagssprache fokussieren und sein Lernprogramm dementsprechend wählen.

2. Lerntyp

Zwar gibt es bestimmte Lernuniversalien, so reagiert grundsätzlich jeder gut auf Bilder und Töne. Dennoch hilft es, sich zu vergegenwärtigen, welche Übungsarten und -strategien einem in der Vergangenheit besonders geholfen haben, Neues zu behalten und folglich besonders auf optische, akustische oder haptische Lernformen zu setzen.

3. Kontext

Viel besser als über Vokabellisten behalten wir neue Wörter, wenn wir sie in einem realitätsnahen Zusammenhang lernen: »ein Buch lesen«, »ein Auto fahren«, »ein Pferd reiten« usw.

4. Spontan

Besonders herausfordernd und somit effektiv sind Übungen, bei denen der ­Schüler auf nicht vorhersehbare Impulse reagieren muss, also etwa die offenen Fragen eines Sprach­tandempartners. Solche Lerneinheiten sind schlichtem Vokabel­abgleich immer vorzuziehen.

5. Vielseitig

Schüler sollten verschiedene Lernquellen einbeziehen: Ergänzend zu Sprachkursen und digitalen Lernhilfen wie Apps hilft es, in der neuen Sprache fernzusehen, Bücher und Zeitungen zu lesen und natürlich mit Muttersprachlern zu reden.

6. Dranbleiben

Für alle neuen Sprachen gilt: »Use it or lose it.« Darum müssen Schüler jede Gelegenheit nutzen, ihren frisch erworbenen Wortschatz anzuwenden und auszubauen – sonst ist alles schnell wieder vergessen.