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Anschlussfinanzierung: Kredit umschulden

Noch sind die Zinsen niedrig. Doch bei Darlehen, die in den nächsten Jahren fällig werden, sollte man rechtzeitig an die Anschlussfinanzierung denken.

© Cindy Tang

Wer am 3. Oktober 2016 ein Darlehen für eine Eigentumswohnung aufgenommen hatte, zahlte dafür 1,13 Prozent Zinsen. Heute werden im Schnitt 1,55 Prozent fällig. Damals machte das bei einer 200000-Euro-Darlehenssumme über zehn Jahre 20300 Euro Zinsen. Zu den heutigen Konditionen fallen 27800 Euro Zinsen an.

Niemand kann aktuell sagen, ob die Zinsen weiter steigen. Aber ein Anstieg von 1,13 auf 1,55 Prozent innerhalb von anderthalb Jahren zeigt, dass Immobilienkäufer und Bauherren, deren Kredite in den nächsten zwei oder drei Jahren auslaufen, gut beraten sind, das Thema Anschlussfinanzierung ganz oben auf ihre Tagesordnung zu setzen, um sich das derzeit günstige Zinsniveau auf Vorrat zu sichern.

Doch viele unterschätzen das Problem. Für die Darlehen, die sie vor etwa acht Jahren abgeschlossen hatten und die nun langsam fällig werden, zahlen sie im Schnitt vier Prozent. Da freut man sich über die Ersparnis und denkt nicht daran, um jeden Prozentpunkt zu feilschen.

Forward-Darlehen: Gegen steigende Zinsen absichern

Dabei gibt es eine ganz einfache Möglichkeit, sich die derzeit günstigen Zinsen zu sichern. Viele Banken bieten sogenannte Forward-Darlehen. Mit einem kleinen Aufschlag auf die derzeitigen Zinsen sichert man sich damit ein Darlehen in zwei oder drei Jahren zu den aktuellen Konditionen.

Das Interesse an solchen Forward-Darlehen ziehe deutlich an, beobachtet Horst Biallo, Chef des Internetportals Biallo.de. Kein Wunder: Die Allianz verlangt derzeit für ein Darlehen im ersten Rang 1,26 Prozent Zinsen. Für jeden Monat, den man sich diesen Zinssatz reservieren will, berechnet der Versicherer einen Zinsaufschlag von 0,02 Prozent pro Monat.

Wer also in zwei Jahren eine Anschlussfinanzierung benötigt, weil sein Darlehen dann ausläuft, zahlt einen Zinsaufschlag von 0,48 Prozent. Bezogen auf das derzeitige Zinsniveau würde das Darlehen bei der Allianz dann also mit 1,76 Prozent Zinsen (1,28 Prozent plus 0,02 mal 24 Monate) zu Buche schlagen.

Das Beispiel macht klar, dass ein Forward-Darlehen im Grunde genommen eine Wette darauf ist, dass die Zinsen – in dem konkreten Fall für ein Darlehen über zehn Jahre – in 24 Monaten höher als 1,76 Prozent sind. Sollten die Zinsen dann niedriger sein, wäre das Forward-Darlehen, mit dem sich der Immobilienkäufer vertraglich bindet, ein schlechtes Geschäft.

Steigen die Zinsen wirklich?

»Zum jetzigen Zeitpunkt spricht nicht viel dafür, dass die Zinsen in den kommenden Monaten weiter kräftig anziehen«, ist Interhyp-Sprecher Christian Kraus überzeugt. »Mittel- und langfristig gehen dagegen 80 Prozent der Experten namhafter Banken, die wir befragt haben, davon aus, dass die Zinsen für Baugeld anziehen.« Dazu muss man wissen, dass die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen als Orientierung für die Bauzinsem gelten. Seit Jahresbeginn hat sich dieser Wert auf aktuell 0,63 Prozent beinahe verdoppelt.

Deshalb sollten potenzielle Umschulder hellwach sei. Kraus: »Bei einem Wechsel des Stromanbieters im vergangenen Jahr betrug die Ersparnis im Normalfall etwa 270 Euro. Bei einer Anschlussfinanzierung geht es dagegen ganz schnell um mehrere Tausend Euro.« Je höher die Restschuld und damit die neue Darlehenssumme, desto größer der Spareffekt.

Dabei geht es bei einer Anschlussfinanzierung längst nicht nur darum, sich gute Zinskonditionen für die Zukunft zu sichern. Denn in den zehn Jahren, die das bisherige Darlehen in der Regel gelaufen ist, hat sich eine ganze Menge ereignet. Klammert man einmal tilgungsfreie Darlehen aus, wird bei jedem Darlehen über die Zeit ein Teil der Schuld abgezahlt. Die Schulden und damit der Finanzierungsbedarf verringern sich.

Hinzu kommt, dass der Wert der Immobilie in vielen Fällen gestiegen ist. Das Gleiche gilt meist für das Einkommen des Immobilienbesitzers. Dadurch ergeben sich für ihn Spielräume, um seine Finanzierung neu zu ordnen. Die verringerte Restschuld und eine Wertsteigerung der Immobilie vergrößern zum Beispiel den Spielraum für die Anschlussfinanzierung im ersten Rang. Darlehen, die an dieser Stelle im Grundbuch stehen, gelten als besonders sicher für die Banken. Daher sind die Zinsen für solche erstrangig besicherten Darlehen besonders günstig.

Mit einem höheren Einkommen vergrößert sich zugleich der finanzielle Spielraum. Es lohnt sich, für das Anschlussdarlehen eine höhere Tilgung zu vereinbaren und es auf diese Weise schneller abzuzahlen.

Was passiert, wenn ich nichts tue?

Doch es gibt noch einen weiteren Grund, sich mit dem Thema Anschlussfinanzierung schon zwei oder drei Jahre vor dem Auslaufen des alten Kredits zu beschäftigen. Banken neigen mitunter dazu, ihre Kreditkunden erst kurz vor dem Ende der Zinsbindung für das alte Darlehen darüber zu informieren, dass ihr Kredit ausläuft. Das Angebot für eine Anschlussfinanzierung ist dann leider oft alles andere als günstig. Dann bleibt dem Kunden jedoch nicht mehr viel Zeit, sich um eine andere Anschlussfinanzierung zu kümmern. Denn das muss dann schnell gehen. Einen Tag nach Auslaufen des alten Vertrags wird die Restschuld fällig gestellt. Dann muss der Kunde einen fünf- bis sechsstelligen Betrag der Bank überweisen.

So etwas lässt kaum einen Kreditnehmer kalt. Und deshalb liegen die Zinskonditionen, die die Bank ihrem Kunden kurz vor der dringend notwendig werdenden Umschuldung anbietet, schon mal einen Prozentpunkt über den gängigen Marktkonditionen. Das kann dann bei einem sechsstelligen Darlehen richtig teuer werden.

Die Banken setzen dabei nicht zuletzt darauf, dass viele Immobilieneigentümer die Ochsentour scheuen, die sie vor acht oder zehn Jahren durchlaufen mussten, als Sie beim Kauf ihrer Immobilie erstmals einen Darlehen aufgenommen hatten. Einen Wechsel der Bank assoziieren sie oft mit neuen Wertgutachten, einem Notartermin für die Eintragung einer Grundschuld als Sicherheit für die Bank und dem bürokratischen Aufwand für Einkommensbescheinigungen und einer Schufa-Auskunft. Diesen Aufwand wollen sich viele sparen und setzen bei einer Umschuldung lieber auf die bequeme Zusammenarbeit mit ihrer bisherigen Bank.

Wie hoch ist der Aufwand?

Tatsächlich ist aber Wechsel zu einer neuen Bank unkomplizierter als gedacht. »Wir haben die Baufinanzierungskonditionen von 400 Banken auf unserem Bildschirm und wissen ganz gut, was passiert, wenn ein Immobilienbesitzer die finanzierende Bank wechselt. In der Praxis geht das in der Regel ziemlich geräuschlos«, weiß Interhyp-Sprecher Christian Kraus.

Bei der Frage, welchen Wert eine Immobilie hat, arbeiten viele Kreditinstitute mit Datenbanken. Bei der ING-DiBa, einem der größten Baufinanzierer, nutzt man dafür beispielsweise eine spezielle Software des Immobilienbewerters Sprengnetter. »Da reicht oft schon ein Grundriss, das Baujahr und die Lage, damit wir uns per Knopfdruck ein Bild von dem zu beleihenden Objekt machen können«, sagt Thomas Hein, Leiter des Partnervertriebs bei der ING-DiBa. Den Kunden entstünden dadurch keine Kosten.

Aber was ist mit der eingetragenen Grundschuld im Grundbuch, mit der die bislang finanzierende Bank ihren Kredit absichert? Wie kann das neue Forward-Darlehen ein oder zwei Jahre vor Fälligkeit des alten Kredits im Grundbuch abgesichert werden?

»Kein Problem«, meint Thomas Hein. »Das Darlehen muss erst dann mit einer Grundschuld besichert werden, wenn wir das Geld auszahlen.« Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die alte Bank tritt die Grundschuld ab, oder die bislang finanzierende Bank macht Platz und erteilt eine sogenannte Löschungsbewilligung. Die alte Grundschuld wird dann gelöscht, sodass dann die neue Bank mit ihrem Forward-Darlehen ins Grundbuch kann.

Viele Gestaltungsmöglichkeiten

Eine Umschuldung – ob langfristig mit einem Forward-Darlehen abgesichert oder zu den jeweils aktuellen Konditionen – bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei sollten Immobilienbesitzer vor allem die Möglichkeit nutzen, nach dem Auslaufen der Zinsbindung so viel wie möglich von der verbleibenden Restschuld zu tilgen.

Dafür sollten alle Reserven mobilisiert werden. Das verringert den neuen Darlehensbedarf und damit die künftige monatliche Belastung, die der Kreditnehmer auch stemmen muss, wenn es gesundheitlich oder beruflich einmal nicht so gut läuft.