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Aktienanleihen: Vor- und Nachteile für Anleger

Aktienanleihen bieten hohe Zinsen. Aber wie funktionieren diese Wertpapiere überhaupt, und welche Risiken geht man bei dieser Anlageform ein?

© Nico El Nino | Shutterstock

Was würden Sie sagen, wenn Ihnen eine Anleihe angeboten wird, die zehn Prozent Zinsen abwirft? Die meisten würden vermutlich instinktiv fragen, wo denn hier der Haken ist. Und mit dieser Reaktion würden sie gar nicht so verkehrt liegen.

Denn Anleihen mit einem derart hohen Zinssatz werden oft in Gestalt von sogenannten Aktienanleihen angeboten. Die funktionieren, was etwa die Laufzeit oder die Verzinsung angeht, grundsätzlich wie ganz normale Zinspapiere. Doch wenn es um die Rückzahlung geht, gibt es eine Besonderheit. Die ist nämlich bei Fälligkeit der Anleihe an die Wertentwicklung einer bestimmten Aktie gekoppelt. Unterschreitet der Kurs dieser Aktie am Bewertungstag eine bestimmte Schranke – den sogenannten Basispreis –, erhält der Gläubiger statt des Nennwerts der Anleihe ein Paket der Aktie zum dann aktuellen Kurs. Die Zinsen erhält der Anleger in beiden Fällen.

Ein Beispiel – keine Anlageempfehlung –, wie solche Zinspapiere funktionieren, ist die Aktienanleihe auf die Nordex-Aktie (WKN DJ7V4H). Diese wird im positiven Fall mit 14,30 Prozent verzinst und ist am 31.12.2024 zur Rückzahlung fällig.

Rendite und Sicherheit: Was Anleger beachten sollten

Wie bei allen Anleihen sollten sich Interessenten nicht nur auf die Verzinsung des Papiers fokussieren. Denn die hohe Verzinsung macht das Papier an der Börse interessant, sodass sie aktuell zu einem Kurs von 100,70 gehandelt wird. Das bedeutet, für 1007,00 Euro, zu denen ein Anleger die Aktienanleihe aktuell kauft, bekommt er am 31.12.2024 dann 1000 Euro (Nennwert der Anleihe) zurück. Nimmt man die Verzinsung, den hohen Kaufkurs, die Laufzeit und etwaig anfallende Stückzinsen* zusammen, ergibt sich eine Seitwärtsrendite (also bei unverändertem Kurs der Anleihe) von 12,65 Prozent für den Anleger.

Die 1000 Euro gibt es in unserem Beispielfall aber nur dann zurück, wenn die Nordex-Aktie, auf die sich die Anleihe bezieht, zum Bewertungstag (20.12.2024) nicht unter sieben Euro an der Börse notiert (Basispreis). Im Januar (18.1.2024) kostete die Nordex-Aktie 9,378 Euro. Das bedeutete für den Käufer der Aktienanleihe einen Sicherheitspuffer von 2,378 Euro bzw. 25,36 Prozent. Mit anderen Worten, der Kurs der Nordex-Aktie könnte um bis zu 25,36 Prozent fallen, damit der Anleger seine 1000 Euro zurückbekommt und eine Rendite von 12,65 Prozent erzielt.

Anleger können den Sicherheitspuffer, den sie beim Kauf einer Aktienanleihe haben möchten, frei wählen. Dafür bieten die meisten Banken auf ihrer Internetseite spezielle Suchmasken, auf denen Parameter wie etwa Sicherheitspuffer und Rendite ausgewählt werden können (zum Beispiel bei wertpapiere.ing.de unter Wertpapierhandel auf Wertpapiersuche und dann Zertifikate gehen).

Eine allgemeingültige Formel, welcher Sicherheitspuffer beim Kauf einer Aktienanleihe empfehlenswert ist, gibt es nicht. Die Höhe des Puffers, so Nico Klemman von der ING, hänge stark von der individuellen Risikotoleranz des Anlegers und seiner Einschätzung des Basiswerts ab. Hier sei vor allem die Auswahl des Papiers entscheidend. »Handelt es sich um einen sehr volatilen Basiswert, ist es ratsam, einen höheren Puffer zu wählen. Ist der Basiswert eher ein konservativer, dann kann der Sicherheitspuffer dementsprechend auch niedriger sein.«

Auswahlkriterien: Bezugsverhältnis und Sicherheitspuffer

Eine der Kennziffern, auf die man achten sollte, wenn man sich für eine Aktienanleihe interessiert, ist das sogenannte Bezugsverhältnis. Welche Botschaft verbirgt sich dahinter? »Man kann sich eine Aktienanleihe wie ein Darlehen vorstellen, das an eine Firma vergeben wird«, erklärt Nico Klemman. »Anstatt Ihnen Zinsen in Geld zu zahlen, kann die Firma Ihnen am Ende der Laufzeit der Anleihe Aktien geben.« Das Bezugsverhältnis sagt, wie viele Aktien der Anleger bekommt, wenn der Kurs der Aktie zum Bewertungstag unter dem Basispreis notiert.

Würde der Kurs der Nordex-Aktie in unserem Beispiel am Bewertungstag unter 7,00 Euro notieren, würden Anleger, die die Aktienanleihe gekauft haben, anstatt des Nennwerts eine festgelegte Anzahl von Nordex-Aktien erhalten. Klemman: »Diese Anzahl ergibt sich aus dem Bezugsverhältnis von 1:142,86. Das bedeutet, für jede 1000 Euro Nennwert der Anleihe erhalten Sie 142,86 Aktien.« Und er fügt hinzu: »Wenn der Kurs der Aktie stark gefallen ist, könnte der Wert der erhaltenen Aktien niedriger sein als der ursprüngliche Nennwert der Anleihe.«

Aktienanleihen vs. direkter Aktienkauf: Der Outperformance-Punkt im Blick

Bei diesen Überlegungen geht es sozusagen um den Worst Case – das heißt, die Nordex-Aktie würde am Bewertungsstichtag unter dem Basispreis notieren. Anleger sollten aber auch noch einen anderen Punkt im Auge behalten. Hintergrund: Es gibt auch einen sogenannten Outperformance-Punkt für Aktienanleihen. Dieser beziffert den Aktienkurs, bei dem ein direkter Kauf der Aktie für den Anleger vorteilhafter gewesen wäre als der Kauf der Anleihe. Dieser Outperformance-Punkt wird etwa bei der ING ausgewiesen.

In unserem Beispiel beträgt der Outperformance-Punkt für die Aktienanleihe auf Nordex 10,6042 Euro (Stichtag 18.1.2024). Bei einem Kurs der Nordex-Aktie von 10,6042 Euro hätte der Anleger also mit dem Kauf der Aktie eine höhere Rendite als mit dem Kauf der Aktienanleihe erzielt.

Die wichtigsten Kennzahlen der Aktienanleihe (WKN DJ7V4H) auf Nordex

Geldkurs (Verkauf) 100,30%
Briefkurs (Kauf) 100,70%
Spread 0,40%
Zinssatz 14,30%
Basispreis 7,00 Euro
Sicherheitspuffer 25,36% bzw. 2,378 Euro (Abst. zu akt. Kurs der Aktie)
Kurs der Aktie 9,378 Euro
Bezugsverhältnis 1:142,86
Seitwärtsrendite 12,65%
Seitwärtsrendite p. a. 13,30%
Maximalrendite 12,65%
Maximalrendite p. a. 13,30%
Outperformance-Punkt 10,6042 Euro
Handelsmindestgröße 1000 Euro
Fälligkeit 31.12.2024

Quelle: ING.de, Stand: 18.1.2024. 

Geeignete Anleger und Risikobewertung

Private Anleger, die sich für Aktienanleihen interessieren, sollten bereits Erfahrungen mit Wertpapieren haben, die an der Börse gehandelt werden. Sie sollten in der Lage sein, gängige Kennziffern wie beispielsweise die Rendite einer Anleihe zu verstehen. Sie sollten aber auch Kennziffern wie zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Umsatz-Verhältnis für Aktien einordnen können. Das ist besonders wichtig, weil bei einer Aktienanleihe die Aktie im Kern die Risikokomponente für den Anleger bildet.

Im Beispiel signalisiert die hohe Verzinsung von 14,30 Prozent ein erhöhtes Risiko für den Anleger. Die hohen Zinsen sind ein Ausgleich dafür, dass der Kurs der Nordex-Aktie fallen kann. Die Seitwärts- und Maximalrenditen seien attraktiv, so Experte Klemman. »Der Anleger muss sich jedoch bewusst sein, dass das Risiko besteht, dass der Kurs unter den Basispreis fällt und er dann statt seines Geldes Aktien erhalten kann, deren Wert geringer sein kann als der Betrag, den er angelegt hat.« Dieses Produkt, so sein Resümee, »eignet sich für Anleger, die an Nordex interessiert sind und ein höheres Risiko in Kauf nehmen, um höhere Zinsen zu erzielen«.

Der Sicherheitspuffer, den eine Aktienanleihe bietet, ergibt sich aus der Differenz aus dem aktuellen Aktienkurs und dem Basispreis. Das bedeutet, dass ein Anleger, der sich für eine Aktienanleihe interessiert, ausführliche Informationen über die Aktie benötigt, auf die sich die Anleihe bezieht.

Wenn der Kurs der Aktie stark gefallen ist, könnte der Wert der Aktien niedriger sein als der ursprüngliche Nennwert der Anleihe.

Nico Klemman, ING

Unternehmensnachrichten und Analystenbewertungen im Blick haben

Um sich ein Bild vom Unternehmen zu machen, auf dessen Aktie sich eine Anleihe bezieht, sollte man die aktuellen Unternehmensnachrichten und Analystenbewertungen im Blick haben.

Die gibt es zum Beispiel bei der ING kostenlos auf der Internetseite. Hier erfährt der Anleger unter anderem, dass der Windparkentwickler Denker & Wulf die Nordex Group mit der Entwicklung und Errichtung von 20 Windenergieanlagen für drei Projekte in Norddeutschland beauftragt hat.

Bei der Interpretation solcher Unternehmensnachrichten oder Analystenbewertungen empfiehlt es sich, einen Anlageberater seiner Bank hinzuzuziehen. Denn die Angaben, um die es dabei geht, sind mitunter schwer verständlich. Die reichen von Empfehlungen zum Kauf oder Verkauf der Aktie bis hin zu Einschätzungen zur Höhe des Aktienkurses in den kommenden Monaten.

Daneben gibt es beispielsweise auch sogenannte EQS-News. Diese Nachrichten beziehen sich auf Ad-hoc-Meldungen, die Unternehmen veröffentlichen müssen, wenn ereignisrelevante Informationen vorliegen, die den Aktienkurs beeinflussen könnten. Klemman: »Diese Informationen sind oft sehr spezifisch und können für Laien komplex erscheinen, sind aber wesentlich für die Bewertung des Unternehmens.«

Aktienanalyse und Informationen über den Schuldner

Schuldner einer Aktienanleihe ist in der Regel eine Bank. Der Anleger, der die Anleihe kauft, ist dann Gläubiger der Bank. Diese Konstruktion sollte Anlegern immer bewusst sein. Denn bei Aktienanleihen handelt es sich de facto um Inhaberschuldverschreibungen. Würde der Schuldner, also die Bank, zahlungsunfähig werden, ist ein Totalverlust des eingesetzten Geldes möglich. Dass dieses Szenario nicht so theoretisch ist, wie es sich vielleicht zunächst anhört, zeigt der Fall der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008.

In unserem Beispiel ist die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken, der Emittent der Aktienanleihe auf die Nordex-Aktie. Die DZ Bank ist der Institutssicherung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. angeschlossen. Außerdem gehört das Kreditinstitut der freiwilligen Sicherungseinrichtung des BVR an. »In diesem Rahmen«, so bestätigt eine Sprecherin der Bank auf Anfrage, »ist auch dieses Produkt in einem solchen Fall explizit geschützt.«

Nicht geschützt seien dagegen etwaige Verluste, die beispielsweise aus der Kursentwicklung des Produkts auf Basis der preisbestimmenden Marktparameter entstehen. 

*Stückzinsen sind Zinsen, die anteilig noch dem Verkäufer einer Anleihe zustehen. Beispiel: Kauft ein Anleger am 30. März eines Jahres eine Anleihe, die am 31. Dezember verzinst wird, muss er dem Verkäufer der Anleihe die Zinsen bis 30. März beim Kauf in Form von Stückzinsen auszahlen. Das mindert seine Rendite, die er mit der Anleihe erzielt.