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Grüne Geldanlagen: Nachhaltigkeitscheck

Sind nachhaltige Investments eher etwas für Idealisten? Oder führt langfristig kein Weg daran vorbei? Wir haben mit Henrik Pontzen von Union Investment gesprochen.

© Visual Stories by Micheile

Seit 2010 hat sich der Markt für nachhaltige Geldanlagen auf mehr als 248 Milliarden Euro verzehnfacht. Während dieser Trend zunächst durch die Nachfrage vor allem von institutionellen Investoren wie kirchlichen Stiftungen oder gemeinnützigen Einrichtungen ausging, interessieren sich inzwischen auch immer mehr private Anleger für dieses Thema.

Doch am Horizont werden erste Wolken sichtbar. So hat die US-Börsenaufsicht SEC Ende August die DWS, immerhin die größte deutsche Fondsgesellschaft und Tochter der Deutschen Bank, wegen des Verdachts auf »greenwashing« ins Visier genommen. Die Amerikaner prüfen, ob die DWS bei den Angaben zu ihren nachhaltigen Geldanlagen »etwas zu dick aufgetragen« hat.

Was können Anleger tun?

Bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken, will man sich nicht zu den Vorwürfen gegen den Wettbewerber äußern. Doch für verunsicherte Anleger hat Henrik Pontzen, Chef des ESG-Ressorts im Portfoliomanagement, einen Rat: »Wer nachhaltig investieren will, sollte auch unabhängige Informationsquellen wie zum Beispiel das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) nutzen.« Anleger sollten sich jedoch bewusst sein, dass es bei ESG-Fonds – also Fonds, die in Unternehmen investieren, die bestimmte Vorgaben zu den Themen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) erfüllen –nicht nur um Nachhaltigkeit gehe.

Steigende Preise: Der Zug rollt seit 2015

»Natürlich wollen wir bei Union Investment mit den Aktien, in die wir investieren, für unsere Kunden auch Erträge erwirtschaften. Doch seit 2015 gibt es hier eine wichtige Veränderung«, erklärt Pontzen. Denn seit dem Pariser Klimaschutzabkommen zahlen immer mehr Unternehmen auf ihre CO2-Emissionen Steuern oder müssen dafür CO2-Zertifikate an der Strombörse in Leipzig kaufen. Das erhöht die Kosten und senkt den Gewinn.

Da an der Börse Gewinnerwartungen in der Zukunft gehandelt werden, dürften die Aktienkurse von Unternehmen anziehen, die ihre CO2-Emission reduzieren. »Gegenwärtig zahlen die Unternehmen für eine Tonne CO2 25 Euro. Bis 2030 könnte dieser Preis auf über 100 Euro steigen. Es gehört also nicht viel Fantasie dazu, um zu verstehen, dass nachhaltig produzierende Unternehmen künftig bessere Chancen an der Börse haben werden.«

Mehr als 80 Prozent Nachhaltig

Insgesamt verwaltet Union Investment ein Vermögen von 427 Milliarden Euro. Davon gelten 345 Milliarden Euro als ESG-integriert; heißt, dass bei diesen Fonds auf ESG-Faktoren geachtet wird. Davon werden 74 Milliarden Euro als nachhaltige Geldanlagen ausgewiesen.

Als Beispiel für einen solchen gezielt nachhaltigen Investmentansatz gilt der FairWorldFonds (WKN A0YCZ3). Dieser Mischfonds, der in Anleihen, Aktien und zu zehn Prozent auch in Mikrofinanzfonds investiert, wurde zusammen mit Brot für die Welt und dem Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene konzipiert und gemeinsam mit der GLS Bank und der Bank für Kirche und Diakonie aufgelegt.

Dreistufige Prüfung

Um zu wissen, ob oder inwieweit ein Unternehmen und seine Produkte die Kriterien für eine nachhaltige Geldanlage erfüllen, durchlaufen alle Anlageentscheidungen bei Union Investment ein dreistufiges Verfahren.

Ausschlusskriterien

In einem ersten Schritt werden bestimmte Ausschlusskriterien geprüft. So darf ein Unternehmen zum Beispiel nicht mehr als fünf Prozent seines Umsatzes mit der Förderung (oder mehr als 25 Prozent mit der Verstromung) von Kohle erzielen oder sein Geld nicht mit der Produktion von Suchtmitteln verdienen.

ESG-Scoring

Anschließend werden Unternehmen mit einem ESG-Score – einer Art Note (0 bis 100) – bewertet, mit der die Nachhaltigkeit auf fünf Ebenen gemessen wird. Dazu gehört unter anderem die Frage, ob das Unternehmen zum Beispiel in eine öffentliche Kontroverse zu etwaigen ESG-Verstößen verwickelt ist. Auch die Managementqualität ist ein Kriterium, das beim ESG-Score eine Rolle spielt. »Beim Dieselskandal von VW wussten wir zunächst nichts von der Manipulation der Abgas-Software. Aber wir wussten, dass es erhebliche Governance-Defizite bei VW gab. Aus diesen Problemen bei der Unternehmensführung ergab sich der Dieselskandal fast zwangsläufig.«

Engagement

Aber Pontzen und seine Kollegen beschränken sich nicht nur darauf, Daten und Fakten für Unternehmen abzuprüfen. Als Treuhänder und Interessenvertreter der Anleger nehmen sie auch aktiv Einfluss auf die Geschäftspolitik von Unternehmen, in die sie investieren. Pontzen: »Wir haben den Unternehmen ganz klar gesagt, dass sie beispielsweise nicht mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Kohle machen dürfen. Ansonsten haben wir die Aktien der Unternehmen, die wir besaßen, verkauft.«

Wer hat hier den Durchblick?

Fondsgesellschaften wie Union Investment betreiben einen erheblichen Aufwand, um beim Thema Nachhaltigkeit tatsächlich die Spreu vom Weizen trennen zu können. ESG-Analysten und -Portfoliomanager prüfen und bewerten die Investments. »Wir führen jährlich 4000 Gespräche mit Unternehmen, um ein reales Bild zu bekommen. Davon geht es in 700 Gesprächen schwerpunktmäßig um das Thema Nachhaltigkeit«, so Pontzen.

Bleibt die Frage, wer diesen Aufwand bezahlt. Union Investment erklärt, die nachhaltigen Fonds seien nicht teurer als herkömmliche Produkte. Beim FairWorldFonds beträgt der Ausgabeaufschlag 2,5 Prozent bezogen auf den Anteilswert. Das ist für aktiv gemanagte Mischfonds vergleichsweise günstig. Die jährlichen Verwaltungskosten sind mit derzeit 0,99 Prozent eher moderat.

Fazit

Bis sich nachhaltige Geldanlagen endgültig durchsetzen, wird es Fortschritte und Rückschläge geben, und nicht jede grüne Technologie wird automatisch ein Gewinner. Anleger sind deshalb gut beraten, wenn sie auch den grünen Trend hinterfragen und sich unabhängige Zweitmeinungen einholen.